Die Totems der Industrie
So abwegig die Idee am Anfang erscheinen mag, liegt die Verbindung doch viel näher, als man denkt: Totems und das Ruhrgebiet, das passt schon zusammen. Indianer findet man hier zwar nicht, auch sind mir keinerlei historische Spuren der Ureinwohner Amerikas im Umkreis von Bottrop bekannt. Doch wie ihre Vorbilder erinnern die Holzpfähle der Halde Haniel an eine Kultur, die heute größtenteils aus unserer Gesellschaft verschwunden ist. In diesem Falle eine Kultur der Arbeiter, erschaffen aus Kohle, Schweiß - und Holz.
Neben dem Tiger and Turtle von Duisburg gehört diese Halde für mich zu den absolut sehenswerten. Das liegt vor allem am Äußeren: dem Kontrast zwischen buntem Holz und schwarz-grauem Abraum. 105 dieser Holzpfähle stehen auf dem "Gipfel". Allesamt teilt sie ihre Herkunft als ehemalige Bahnschwellen. Doch der baskische Künstler Agustín Ibarrola hat sie alle unterschiedlich bearbeitet, 2002 hier schließlich in den Boden gerammt. Damit wollte er die scheinbaren Gegensätze von Industrie und Natur zusammenführen. Das Ergebnis schreit geradezu nach Aufmerksamkeit.
Netterweise bietet sich von der Halde schon aus ihrer Entstehung heraus - letztlich handelt es sich ja um nicht mehr und nicht weniger als einen aufgeschütteten Hügel - ein hübscher Blick auf das Ruhrgebiet, dass in sich ja eher das Relief eines Bügelbretts besitzt. Wie auch schon beim Tiger and Turtle, lenkt der Blick doch ganz gut ab von den post-florierten Stadtkernen der angrenzenden Orte. Bottrop, meine Perle bist und wirst du wohl nicht mehr.
Zurück zu den Totems und ihrer Symbolkraft. Dass dieses Denkmal der Industriekultur ausgerechnet hier steht, entbehrt nicht gerade einer gewissen Ironie. Denn zu den Haldenfüßen liegt das letzte aktive Steinkohlebergwerk Deutschlands, die Zeche Prosper Daniel. Noch. Denn 2018 wird auch hier der letzte Bergmann den Schacht schließen. Der Blick vom Gipfel hinunter auf das Gipfelkreuz offenbart da schon eine gewisse Vorahnung.